Die Kunst der Kinder

Sie zählen zu den schwächsten der Gesellschaft und sie haben keine mächtige Lobby im Rücken: Heimkinder in Deutschland. Das war der Grund für Klaus Hachmann, Chef des Kurierdienstes „World Courier“ in Deutschland, im Jahr 2002 die Aktion „Mobil für Kids“ ins Leben zu rufen. Statt einfach nur die Spenden zu überweisen, wie es normalerweise üblich ist, machten sich Hachmann und seine Kollegen Gedanken, wie man etwas Neues gestalten könnte, das auch für die Kunden des Unternehmens attraktiv ist, die die Aktion unterstützen sollten. Also kam man auf die Idee, direkt bei Kinderheimen in zwölf verschiedenen Städten anzufragen, was konkret gebraucht wird. „Das ist super angekommen“, sagt Hachmann. Er machte sich auf den Weg, und brachte Kleiderschränke in das St. Marien Kinderheim nach Hamburg oder Fahrräder nach Köln-Rösrath für die Kinder des Diakoniewerks Michaelshoven.

Eine neue Idee
In diesem Jahr gab es eine neue Idee. Bei den Besuchen wurden wieder Geldspenden überbracht, dafür sollten die Kinder Bilder malen, die Hachmann einsammelte. Die schönsten sind in einem Kalender veröffentlicht worden. Der Reinerlös aus dem Kalender-Verkauf fließt wieder direkt an die Heime: „Die Kinder haben uns nicht enttäuscht. Im Gegenteil. Sie haben uns so viele wunderschöne, ausdrucksstarke Bilder geliefert, dass wir ohne Weiteres drei Kalender hätten produzieren können.“ Neben den 15000 Euro, die das Unternehmen und die anderen Initiatoren für Heime spenden, kamen 10000 Euro durch den Verkauferlös des Kalenders hinzu, und es sollen noch mehr werden. Die Aktion soll in den nächsten Jahren ausgeweitet, noch mehr Unternehmen angesprochen werden. Auch an eine internationale Kooperation ist gedacht.

Das ist auch bitter nötig. Die Finanzmisere zwingt die Gemeinde und Kommunen zum Sparen. Ganz oben auf der Liste stehen dann immer die Bereiche Erziehung und Bildung. Hier lässt sich am leichsteten das Geld kürzen. Widerstand von starken Lobbygruppen ist nicht zu erwarten. Das führt zu Unterversorgung derer, die es am nötigsten haben. Diese Erfahrung hat auch Hachmann gemacht: “Weil die Behörden sparen wollen, holen sie ein Kind erst spät aus der zerrütteten Familie. In einem Fall war die Wohnung total verwahrlost. Ein halbes Jahr hat es gedauert, bis das Kind aus der Familie geholt wurde.

Mobil für Kids 2003

Der Hauch einer Chance
Die Heimunterbringung ist teuer. Für einen Jungendlichen kostet es pro Monat rund drei- bis viertausend Euro. Kids, die in Pflegefamilien unterkommen, verursachen geringere Kosten. Das ist der Grund, warum diese Art der Unterbringung von bevorzugt wird. Aber Problemkinder müssen angemessen betreut werden, um überhaupt den Hauch einer Chance zu haben. Unsere Gesellschaft stellt komplexe Anforderungen an den Einzelnen. „Die differenzierten Erziehungsangebote sind kostenintensiv“ ,sagt Markus Schnappka, Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter: „Ein Trend, der uns Sorgen macht, ist, dass die Kosten, obwohl die Fallzahlen stabil sind, zunehmen. Und das hat was damit zu tun, dass unsere Gesellschaft komplizierter wird und es auch immer schwieriger ist, junge Menschen, die mal vom Weg abgekommen sind oder bei denen die Eltern nicht funktionierten, tatsächlich auch in einen konstruktiven Lebensweg zu helfen.“

Die Gründe für eine Heimunterbringung sind unterschiedlicher Natur. Verwahrlosung, Gewalt und sexueller Missbrauch in Familien sind die häufigsten. Es gibt aber immer mehr auffällige Kinder und Jungendliche, die unter Wohlstandsverwahrlosung leiden. Materiell gut ausgestattet, fehlen ihnen Regeln und Zuneigung der Eltern, die nur in Form der großzügigen ausgezahlten Taschengeldes für sie sorgen. Sie können nicht damit umgehen, etwas nicht zu bekommen. Zu den Problemgruppen zählen weibliche Teenies, die vor den komplexen Anforderungen der Gesellschaft flüchten, indem sie Mutter werden – mit fatalen Folgen. In den Heimen tauchen verstärkt Migrantenkinder auf, deren multikultureller Hintergrund neue pädagogische Ansätze erfordert. Eine weitere Ursache: wachsende Armut von Kindern im reichen Deutschland. Über 3 Millionen Kinder in Deutschland leben in Armut, davon müssen über eine Millionen mit Sozialhilfe auskommen. Mit der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, wird es etwa 500.000 arme Kinder mehr geben, rechnet der Deutsche Kinderschutzbund vor.

Kinder und Betreuer entscheiden
Wofür die Spendengelder und die Einnahmen aus dem Kalender-Verkauf der “World Courier-Aktion“ verwendet werden, darüber entscheiden die Betreuer mit den Kindderrn zusammen. Am häufigsten fließt das Geld in die Ferienfreizeit, weil dafür in der Regel am wenigsten Geld vorhanden ist. Oder aber es wird wie in dem Fall eines Siebzehnjährigen in lernbegleitende Maßnahmen gesteckt. Klaus Hachmann: „Als er vor vielen Jahren aufgenommen wurde, galt er als extrem lernbehindert und verhaltensauffällig. Aufgrund der Arbeit und Fürsorge der Betreuer, ist es dem Jungen gelungen, die Hauptschule zu absolvieren. Er hat jetzt damit begonnen, sich auf die mittlere Reife vorzubereiten, ist hoch motiviert und will es unbedingt schaffen:“


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